Mit der Wende zum Dokumentarischen, dem sogenannten documentary
turn, verbindet sich eine Reflexion
seit den frühen 2000er-Jahren in der bildenden Kunst und Visuellen Kultur, als
vornehmlich mediale fotografische und Videobilder aus Archiven oder täglichen
Newsfeeds Teil einer dokumentarischen künstlerischen Recherche wurden.
Das
Dokumentarische als Kategorie ist bereits seit den 1930er-Jahren in der frühen
Fotografie und dem dokumentarischen Film verbreitet, der scheinbare Gegensatz
zwischen gestalterischer Praxis und Realismus hat sich im 20. Jahrhundert
zunehmend aufgelöst (Van Gelder/Baetens), sogar zu neuen Mischformen geführt. Dieser
,kritische Realismus‘ widmet sich einer Untersuchung sozialer und politischer
Wirklichkeiten weist einen engen Bezug zu den Medien und Materialien auf.
Im Zuge globalkapitalistischer Entwicklungen verändern sich auch die Zugangsweisen der für die Medien inszenierten politischen Ereignisse und künstlerischen Arbeiten. Die tiefgreifenden medienpolitischen Veränderungen mit der Digitalisierung und Virtualisierung, der Zirkulation von Bildern und in sozialen Netzwerken, aber auch die Teilhabe der Bildproduzierenden an den dokumentierten Prozessen, haben oftmals eine Destabilisierung des Bildes als Dokument zufolge. Das Archiv als Ort sowie die Geschichte der Medien, die diese Bilder hervorbringen, sind eng mit dem Dokumentarischen verbunden. Hito Steyerl hat in ihrem Essay auf die zunehmend unscharfen, verpixelten Bilder als Garant eines Dokumentarismus hingewiesen die auf einen permanenten Krisen- und Ausnahmezustand hinweisen. Sie wählt auch in ihrer künstlerische-dokumentarischen Herangehensweise den Essay als Form der Hinterfragung dokumentarischer Praxen in Krisenzeiten.
Im Seminar möchten wir uns diesem doch recht großen Thema exemplarisch mit Blick auf verschiedene Theorien zum Dokumentarischen, aber auch künstlerischen Beispielen widmen. Insbesondere das verwendete Material und der mediale Zugang sollen dabei eine Rolle spielen. Der Essay als Form in der künstlerischen und schreibenden Praxis bietet dabei eine weitere Möglichkeit, Dokumentarismen auf den Prüfstand zu stellen. Es sind Exkursionen zur Steyerl- und anderen Ausstellungen sowie eine mögliche Teilnahme am Workshop Text/Werk im K21 Düsseldorf mit dem Graduiertenkolleg „Das Dokumentarische“ Universität Düsseldorf am 14.11. geplant.
- Trainer/in: Lilian Haberer